Als ein „Gebot der Vernunft“ sehen wir unsere Entscheidung, bis Ende Januar 2021 unsere Gottesdienste wie auch andere Versammlungen in unserer Seelsorgeeinheit auszusetzen. Ausgenommen ist eine Beerdigung, bei der allerdings der Teilnehmerkreis eingeschränkt bleibt.
An diesem Sonntag ist das Fest „Taufe des Herrn“. Es erinnert an die Taufe Jesu im Jordan durch Johannes. Die offizielle Weihnachtszeit endet mit diesem Fest.
Es fühlt sich seltsam an, in der ganzen Weihnachtszeit keinen Gottesdienst gefeiert zu haben. Die Kirchen sind wunderschön gestaltet mit tollen Weihnachtsbäumen und ansprechenden Krippen – in diesem Jahr sogar mit einer weiteren Krippe auf den Außenstufen der Kirche St. Georg.
Es gab gute Rückmeldungen bezüglich der Videobotschaft, des Internetgottesdienstes an Heilig Abend und der Autogottesdienste.
Aber gar keine hl. Messe gefeiert zu haben bleibt ein komisches Gefühl.
Ich bin auch nicht dorthin ausgewichen, wo eine hl. Messe gefeiert wurde. Das hätte dem „Gebot der Vernunft“ widersprochen. Auch habe ich nicht die hl. Messe in der Pfarrhauskapelle gefeiert, um ganz bewusst den Verzicht darauf mit allen in unserer Seelsorgeeinheit zu teilen, denen die hl. Messe Quelle des christlichen Lebens ist.
Ob ich mich an den Verzicht gewöhnen könnte?
Es gibt ja viele Christen, denen die hl. Messe nicht so wichtig ist, sich dennoch aber als Christen verstehen. Auch der Glaube an die Gegenwart Jesu im Sakrament teilen scheinbar nicht mehr viele. Ich frage mich, für wen der Tabernakel noch der Ort der Gegenwart Jesu im Sakrament des Brotes ist und die Kerze – das ewige Licht – ein Zeichen dafür.
In mir wächst schon seit langem ein Gefühl des christlichen Alleinseins. Ich fühle mich immer mehr allein mit meinem katholischen Glauben und ich frage mich: wie sehr eint uns katholische Christen noch die Feier der Sakramente, allen voran die Feier der Eucharistie? Hat die Feier der Eucharistie überhaupt noch die Kraft, uns als Gemeinde zu vereinen? Was bedeutet das für mich und meinen Weg, wenn sich um mich herum das Kirche sein
so stark verändert? Die hl. Messe oder ein Wortgottesdienst nur noch – wenn überhaupt – als Dienstleistung in Trauerfällen?
Freitagabend gab es ein Treffen im Internet mit der Messdienerleiterrunde St. Georg. Als ich alle Gesichter sah, die ganze Gemeinschaft vor mir auf dem Bildschirm, kamen bei mir viele Erinnerungen an gemeinsame Aktivitäten. Im Nachgang stieg in mir eine große Dankbarkeit auf für junge Menschen, die sich in den beiden Messdienerleiterrunden unserer Seelsorgeeinheit treffen und engagieren. Sie sind Christen. Mit diesen jungen Menschen gibt es eine nicht geringe Zahl an Christen, die ein großes Bedürfnis haben, dass wir in den Gemeinden zusammenbleiben, auch wenn nicht alle das Bedürfnis nach Gottesdienst teilen.
Wenn ich so überlege, dass einige dieser Messdienerleiter*innen von St. Georg eine Krippe für den Autogottesdienst gestaltet haben, so wird mir klar, dass sie mit eigenen Händen und Gedanken dem eine Form gegeben haben, was wir über unsere kleine Welt hinaus glauben dürfen: dass es Gott gibt, der sich mit uns verbunden hat, in dem sein Sohn Mensch geworden ist. Durch das Bauen und Aufstellen der Krippe haben sie die Botschaft in die Hand genommen. Durch die Wahl der Materialien sagen sie: seht, Gott ist aus gleichem Holz wie der Mensch.
Gott ist uns nah. Wenn ich hl. Messe feiere, nehme ich diese Zusage mit dem Brot in die Hand und darf es schmecken. Darum ist die hl. Messe für mich so wichtig. Die Krippe esse ich nicht und sie wird auch wieder abgebaut. Aber in der hl. Messe wird mir in guten wie in schlechten Zeiten gezeigt und in die Hand gelegt, dass Gott mit mir ist.
In Jesus wird mir vor Augen geführt, wie Gott für uns ist. Mit Brot und Wein wird mir vor Augen geführt, wer Gott für uns ist.
Verlieren wir das aus den Augen, könnte auch die Gewissheit schwinden, dass Gott nah ist. Dann verlieren wir vielleicht auch die Hoffnung, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Die einzige Hoffnung wäre dann diese Welt. Doch was mache ich, wenn ich in dieser Welt nicht vorkomme, Krankheit oder Armut mich ins Abseits stellen? Und was ist, wenn meine Lebenszeit kürzer ist als bei anderen? Hat dann alles keinen Sinn?
Gott denkt groß von uns. Wir sind aber nur dann die Krone der Schöpfung, wenn wir den Mut haben, so klein zu werden wie er: wie das kleine Kind in der Krippe, wie das Brot in der Eucharistie, wie der Arme oder Notleidende von nebenan, d.h. dem anderen nah.
Das gemeinsame Feiern der Eucharistie als Gemeinde will uns zu Menschen machen, wie Jesus es uns vorgelebt hat: voller Zuversicht und Gottvertrauen und den Menschen nah.
Wenn wir also Kirche sein wollen, dann müssen wir tun, was er beim letzten Mahl vor seinem Tod gesagt hat: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“, damit wir auch bereit sind wie er, für die Liebe Zeugnis abzulegen.
Es ist bestimmt ein „Gebot der Vernunft“ sich jetzt auch zu Gottesdiensten nicht zu versammeln. Wir werden und müssen es aber wieder tun, damit wir das bleiben, was wir sein möchten: Christen.