Der Himmel ist in dir
Liebe Gemeindemitglieder,
Anfang der Woche erhielt ich eine WhatsApp-Nachricht, in der sich eine Familie für das Glockengeläut am Abend, das nun regelmäßig um 19.30 Uhr stattfindet, bedankte. Es vermittle ihnen das Gefühl von Heimat und Zusammenhalt.
Ich persönlich höre Glocken sehr gern. Nicht nur das Geläut zum Gottesdienst, sondern vor allem das sogenannte Angelus-Läuten. Es ist nach dem Ereignis benannt, das uns der Evangelist Lukas erzählt:
„
Angelus Domini
nuntiavit Mariæ…
Der Engel des Herrn
brachte Maria die Botschaft…“
Dieses Evangelium stand gestern im Mittelpunkt, da wir das Fest „Maria Verkündigung“ begangen haben: Der Erzengel Gabriel wurde zu Maria gesandt, um ihr zu sagen, dass sie ein Kind empfangen wird.
Aus dieser biblischen Erzählung ist ein Gebet geworden.
Dieses Gebet lautet:
Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft, und sie empfing vom Heiligen Geist. (Vgl. Lk 1,28–35)
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes.
Maria sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort. (Lk 1,38)
Gegrüßet seist du, Maria …
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. (Joh 1,14)
Gegrüßet seist du, Maria …
Bitte für uns, heilige Gottesmutter (heilige Gottesgebärerin), (auf) dass wir würdig werden der Verheißungen Christi.
Lasset uns beten: Allmächtiger Gott, gieße deine Gnade in unsere Herzen ein. Durch die Botschaft des Engels haben wir die Menschwerdung Christi, deines Sohnes, erkannt. Führe uns durch sein Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen.
Traditionell wird zum Läuten dieses Gebet gesprochen. Das Läuten findet morgens, mittags und abends statt. Die Anfänge liegen im 13. Jahrhundert bis es sich zu einer Art Stundengebet entwickelt hat, das den Tag strukturiert.
Und genau das finde ich so schön an dieser Form. Das Läuten wie auch das Gebet geben dem Tag Struktur. Ich bin eingeladen, innezuhalten. Aber das kann ich nur, wenn ich auch anhalte.
Es gibt in der Malerei ein bekanntes Bild von Jean-Francois Millet, das zwei Bauersleute während des Angelus-Läuten zeigt. Sie unterbrechen ihre Feldarbeit, halten sie also an, um den Angelus zu beten.
»Die kürzeste Definition von Religion ist Unterbrechung«.
So hat es der katholische Theologe Johann Baptist Metz einmal formuliert. Unterbrechung von Leistungsdruck, vom Hamsterrad, von scheinbaren Sachzwängen und vom kapitalistischen Wachstumswahn.
Poetisch hat es der schlesische Dichter Angelus Silesius (mit richtigem Namen Johannes Scheffler) ausgedrückt:
„Halt an, wo läufst du hin? Der Himmel ist in dir. Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.“
Unterbrechung findet durch Gebet statt. Beten heißt nicht abheben oder viel reden, sondern zurückkehren zum Augenblick, zur Wirklichkeit und wahrnehmen, was Gott dir sagen möchte.
Der hl. Ignatius von Loyola, Gründer des Jesuitenordens, sagt:
„Beten heißt nicht, sich selbst reden hören, beten heißt still werden und still sein, bis der Betende Gott hört.“
Das Angelus Geläut lädt zur Unterbrechung ein.
Gerade erfahren wir eine lange Unterbrechung. Wir halten nicht wie an einer Ampel und warten auf grün. Es ist mittlerweile ein Innehalten, weil ein jeder sich Gedanken macht…
Und genau das will Religion. Das ist auch der Sinn des täglichen Geläuts.
Bei Dietrich Bonhoeffer habe ich folgendes Bekenntnis gefunden:
„Ich glaube, dass Gott aus allem,
auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen,
die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage
soviel Widerstandskraft geben wird,
wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nie im Voraus,
damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben müsste alle Angst
vor der Zukunft überwunden sein.
Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist,
sondern dass er auf aufrichtige Gebete
und verantwortliche Taten wartet
und antwortet.“
Ich wünsche allen einen frohen Tag!
Ihr Pastor Ferdinand Hempelmann
P.S.: Heute ist der letzte Donnerstag im Monat. Wir würden in der Abendmesse für unsere Freunde in den Partnergemeinden beten: in Brasilien, Burkina Faso, Uganda, Kongo und Malawi. Ich bitte um Ihr und Euer Gebet.
Laßt uns auch weiterhin aus aktuellem Anlass beten:
• für alle, die Angst haben vor einer Infektion,
• für alle, die sich nicht frei bewegen können,
• für die Ärztinnen und Pfleger, die sich um die Kranken kümmern,
• für die Forschenden, die nach Schutz und Heilmitteln suchen,
• dass Gott unserer Welt in dieser Krise seinen Segen erhalte.
Und eine Bekanntmachung aus dem Vatikan:
„Lassen wir eine sichtbare Gebetskette entstehen, die Hoffnung vermittelt“, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing.
Papst Franziskus wird zum Abschluss des Gebetes auf dem Petersplatz in Rom den Segen „Urbi et Orbi“
spenden.