Liebe Gemeindemitglieder,
jemand hat mir geschrieben:
„Im heutigen Impuls schreibst du davon, wie gerne du singst und dass Kirchenlieder dir besonders guttun. Ich musste schmunzeln, es kam mir bekannt vor (…) Zu einem Lied habe ich eine besondere Beziehung: Stern, auf den ich schaue, evangelisches Gesangbuch Nr. 407. Dieses Lied habe ich vor jedem Arbeitstag (…) gesungen. Es hat mir täglich gesagt, wo ich mich ‚festgemacht‘ habe, und es hat mich getröstet, bestärkt; in schweren Zeiten war es auch einfach nur dazu da, weiter auszuhalten. Aber immer war da eine Hoffnung und Zuversicht.“
Stern, auf den ich schaue,
Fels, auf dem ich steh,
Führer, dem ich traue,
Stab, an dem ich geh,
Brot, von dem ich lebe,
Quell, an dem ich ruh,
Ziel, das ich erstrebe,
alles, Herr, bist du!
Es war und ist wohl wieder ein beliebtes Kirchenlied. Der Ursprung ist ein Gedicht von Adolf Krummacher, das 1857 veröffentlicht wurde. Populär wurde es erst nach seinem Tod mit der Melodie von Mina Koch, die sie 1887 dazu schrieb. Nach dem zweiten Weltkrieg kam es in Misskredit, weil niemand mehr den Vers – Führer, dem ich traue – singen konnte. Im neuen Evangelischen Gesangbuch ist es wieder aufgenommen worden. Es ist ein Liebeslied an Gott.
Ohne dich, wo käme
Kraft und Mut mir her?
Ohne dich, wer nähme
meine Bürde, wer?
Ohne dich zerstieben
würden mir im Nu.
Glauben, Hoffen, Lieben
alles, Herr, bist du!
Mina Koch war bei ihrem Bruder in der Altmark zu Besuch, wo er evangelischer Pfarrer war. Dort entdeckte sie in einem Gedichtband den Text, setzte sie sich ans Klavier und vertonte ihn. Bis dahin waren die Gedichte von Adolf Krummacher nicht groß bekannt geworden. Dieser Text hat wohl auf Mina Koch gewartet.
Als sie dieses Lied vertonte, wusste sie, was schwere Bürden für einen Menschen bedeuten. Ihre Mutter war früh verstorben und dann zwei von ihren zehn Kindern. Außerdem dürfte es kein Zuckerschlecken gewesen sein, in dieser Zeit zehn Kinder zu gebären. Mit 50 Jahren büßte sie immer mehr ihre Sehkraft ein. Wahrscheinlich hat sie das schon bei der Vertonung des Gedichtes gemerkt und fühlte sich deswegen angesprochen von den Versen: „Führer, dem ich vertraue; Stab, an dem ich gehe.“ Bestimmt gebrauchte sie irgendwann einen Blindenstock, um zurecht zu kommen.
Drum so will ich wallen
meinen Pfad dahin,
bis die Glocken schallen
und daheim ich bin.
Dann mit neuem Klingen
jauchz ich froh dir zu:
nichts hab ich zu bringen,
alles, Herr, bist du!
Mina Koch starb mit 79 Jahren. 1924 erschallten für sie die Glocken, als sie auf demselben Friedhof begraben wurde, auf dem sich auch das Grab von Adolf Krummacher befand. Seitdem liegen Komponistin und Dichter des Liedes auf demselben Gottesacker.
„Stern, auf den ich schaue“
Das Lied funktioniert auch dann, wenn kein Stern am Himmel zu sehen ist. Der Stern ist dann ein inneres Bild. Wir Menschen brauchen solche inneren Bilder, wenn wir das Licht der Sonne nicht mehr wahrnehmen können. Lieder lassen solche Bilder in uns aufleuchten, die Musik überhaupt.
„Stern, auf den ich schaue“
Heute ist eher das Lied „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ populär, wenigstens bei Hochzeiten und auf Schützenfesten. Und wenn auch beide Lieder verschieden sind, so greifen sie doch das eine Bild vom Stern auf, der für eine Person steht.
Jesus Christus ist mein Stern. An ihm mache ich mich fest. „Binde deinen Karren an einen Stern“,
hat Leonardo da Vinci gesagt. Für mich hat der Glaube mehr Kraft als Ochsen oder Pferde.
Jesus selbst lädt aber auch dazu ein, füreinander ein Stern zu sein. Denn Jesus sagt: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
(Mt 25,40)
„Diese Krise weckt unsere tiefsten Ängste. Aber sie ruft auch das Beste in uns hervor!“
sagte gestern unser Bundespräsident.
Durfte das nicht z.B. Lisa Enstrup in Buldern erfahren, als die Nachbarn ihr in dieser Woche auf der Straße ein Ständchen zum 93. Lebensjahr sangen? Radio Kiepenkerl hat davon berichtet. Und das Video ist richtig schön anzuhören!
Für mich sind auch Menschen wie Sterne, die an mich denken, mich positiv überraschen, mich ermutigen, trösten, mir
zuhören, Orientierung geben, mir ein Beispiel geben, oder mich einfach mögen wie ich bin.
„Stern, auf den ich schaue“
Vielleicht hält ja heute auch jemand Ausschau nach mir oder dir. Dann sollten wir uns möglichst nicht zurückziehen oder uns verstecken, sondern leuchten – auch aus der Distanz. Wir können ja ein paar Signale senden.
Gebet aus Lateinamerika:
Gott allein kann den Glauben schenken,
aber Du kannst davon Zeugnis geben.
Gott allein kann Hoffnung schenken, aber du kannst die Menschen in ihrem Vertrauen stärken.
Gott allein kann die Liebe schenken,
aber du kannst andere lieben.
Gott allein kann Frieden geben, aber du kannst für die Einheit aller Menschen eintreten.
Gott allein ist der Weg,
aber du kann ihn anderen zeigen.
Gott allein ist das Licht, aber du kannst es
in den Augen aller leuchten lassen.
Gott allein ist das Leben, aber du kannst
andere in dem Wunsch zu leben bestärken.
Gott allein kann das Unmögliche schaffen,
aber du kannst das Mögliche tun.
Gott allein genügt sich selbst, aber er zieht es vor, auf dich zu bauen.
Amen.
Ich wünsche Ihnen und Euch einen frohen Tag!
Ihr Pastor Ferdinand Hempelmann