Liebe Gemeindemitglieder,
eine Großmutter erzählte mir von diesem kleinen Gebet, dass ihr 3-jähriger Enkel vor kurzem in unserer Kirche vor dem Altar gesprochen hat.
Das bewegt mich, wie der Kleine die Situation wahrnimmt und die Initiative ergreift: „Lieber Gott, Corona soll weggehen! Amen.“
Sehen, urteilen, handeln – diesen Dreischritt kann man gar nicht früh genug lernen.
Ist Beten ein Handeln oder heißt Beten, die Hände in den Schoß zu legen?
Beten heißt erzählen. Und das ist auch ein Handeln. Erzählen ist sehr wichtig. Es ist jetzt wichtig, darüber zu sprechen, was
die Situation mit einem macht. Ich hoffe, Sie haben / Du hast gute Gesprächspartner?!
Wenn jemand niemanden hat, mit dem er darüber sprechen kann, was ihn zurzeit bewegt und auch belastet, so möge er bei mir anrufen: 02590/91720 – 0177 3846889
Beten geht nicht jedem leicht vom Mund oder von der Hand. Manchmal geschieht das Gebet in größter Not und Verzweiflung.
„Eines Christen Handwerk ist Beten“, sagt Martin Luther. „Wie ein Schuster einen Schuh macht und ein Schneider einen Rock, also soll ein Christ beten.“
Der evangelische Theologe Karl Barth nannte das mal so: „Hände aus der Tasche nehmen, Händen in den Schoss legen, Hände von Zeit zu Zeit falten“.
Der erste Punkt ist klar: Man muss das Leben anpacken – auch in dieser Zeit. Also Hände aus der Tasche, Ärmel hochgekrempelt und die Dinge angehen.
Karl Barth wusste aber auch: nur powern führt dazu, dass man bald ausgepowert und ausgebrannt ist. Gestern sagte mir ein Freund, der Lehrer und Priester ist, dass er jetzt Dinge macht, die er vorher sehr vernachlässigt hätte, so z.B. sich zu Hause etwas kochen. Mal eben schnell was holen, weil kochen ja Zeit in Anspruch nimmt, so lautete bei ihm an vielen Tagen die Devise. Aber warum nehmen wir uns nicht Zeit für die Dinge, die unser Leben erhalten? Weil die Zeit und der Beruf es nicht erlauben? Hände in den Schoß legen meint genau dieses: in Ruhe essen, eine Runde ums Haus, für ein paar Minuten die Augen zu und lauschen, mit der Familie sonntagnachmittags ein Spiel spielen…
Hände aus der Tasche nehmen und Hände in den Schoß legen und dann Hände ab und zu mal falten, also beten.
Wenn ich bete, dann mache ich mir bewusst, dass ich in einen größeren Zusammenhang eingebunden bin.
Der kleine Junge aus unserer Gemeinde lernt es in diesen Tagen von seiner Großmutter. Er wird irgendwann auch noch lernen, dass solche Bitten nicht einfach erhört werden. Aber was er gemacht hat, ist sehr wichtig: er spricht seine Not aus. Wenn ich die Hände falte, gebe ich zu, dass ich Grenzen habe. Und das nicht alles an mir hängt und von mir kommt.
„Lieber Hände falten als Sorgenfalten“, so steht auf einer Spruchkarte.
Das Gebet des kleinen Jungen bewegt mich auch deswegen, weil es eine einfache Sprache ist. Es gibt sehr schöne Gebetstexte. Für mich ist aber auch wichtig, dass ich bete wir mir „der Schnabel“ gewachsen ist. Und wenn ich so gesprochen habe, dann schließe ich das meist mit einem Vater unser ab.
Manchmal höre ich von Menschen, sie meinten, nicht richtig zu beten, weil ihnen so viel durch
den Kopf geht. Gottseidank geht viel durch den Kopf. „Durch“ heißt ja, die Gedanken ziehen weiter. Und das darf so sein. Sie einfach ziehen lassen mit dem Ziel, dass sie bei Gott ankommen. Das verschafft Luft.
Beten als Handwerk – mit den Händen beten. Dazu habe ich eine schöne Anleitung gefunden:
„Der Daumen
steht für „Top“. Das was man „liked“, würde man heute sagen. Dankbar werden für alles, was das Leben reich macht: Essen, Dach überm Kopf, Familie, Freunde … Dass ich Pläne für heute habe. Also: Daumen hoch für alles, für was man Gott danken möchte.
Der
Zeigefinger
richtet den Blick auf das, was ich lernen will. „Gott, arbeite an und mit mir! Was zeigst Du mir heute für mein Leben?“ Ich glaube zum Beispiel in Sachen Liebe und Geduld habe ich noch ´ne Menge Luft nach oben. Und wer weiß, was Gott mir noch über den Weg laufen lässt. Ich will dafür aufmerksam sein.
Der
Mittelfinger
ist selbstredend. „Gott, das „stinkt“ mir! Das habe ich zu beklagen!“ Meist fällt mir dazu jede Menge ein. Gebet heißt, dass ich mir die Sachen frei weg von der Leber reden kann. Gott hält das aus.
Der
Ringfinger
weist Viele auf ihren Beziehungsstaus hin. Da denke ich beim Beten an Partnerschaft, Familie und den Freundeskreis. Manchmal sehe ich plötzlich ein Gesicht vor meinem inneren Auge. Dann bitte ich für diesen Menschen um Schutz.
Bleibt der
Kleine Finger: Einfach für alles Kleine und Sonstige, was ich Gott auch noch sagen möchte.
So kann man sein ganzes Leben vor Gott ins Gespräch bringen:
- was „top“ ist,
- wo wir Fingerzeige brauchen,
- was uns stinkt,
- mit wem wir verbunden sind
- und all das kleine Allerlei.
Ich wünsche Ihnen heute einen frohen Tag!
Ihr Pastor Ferdinand Hempelmann