Liebe Gemeindemitglieder,
mit dem Palmsonntag beginnt die
„Heilige Woche“. Wir sagen gewöhnlich
„Karwoche“. Das Wort kommt vom althochdeutschen
„Kara“
und bedeutet Klage, Kummer, Trauer. Es geht aber nicht nur um Klage und Trauer. Die Woche mündet in das Osterfest, dem Sieg Jesu über den Tod.
Wir feiern das „Paschamysterium“.
Pascha heißt
Übergang
oder
Hindurchgang. Wir begehen den Hindurchgang Jesu Christi durch Leiden, Kreuz und Tod zur Auf¬erstehung und Herrlichkeit.
Diesen Weg gehen wir mit. Er führt durch das Dunkel zum Licht, durch Leid zur Freude, vom Tod zum Leben.
Die Heilige Woche begeht ihren Höhepunkt ab Donnerstagabend, wenn wir uns eigentlich zur Feier des Letzten Abendmahles versammeln würden. Bis zum Ostermorgen nennen wir diese Zeit die „Feier der drei österlichen Tage“.
Diese heilige Drei-Tage-Feier bildet den Höhepunkt des ganzen Kirchenjahres.
Und nun können wir uns nicht versammeln. Auf meine Frage, was sie wirklich vermissen als Christ, gab es berührende Antworten. Fast alle haben davon gesprochen, dass sie die Gemeinschaft des Betens und Singens in der Kirche vermissen, den Empfang der heiligen Kommunion, das Hören der Bibeltexte, Predigtimpulse, sich mit anderen Christen zu treffen und im Anschluss an dem Gottesdienst zusammenstehen und reden.
In dieser Woche erfahre ich auf sehr deutliche Weise, dass ich nicht allein Christ sein kann. Ich kann auch nicht als Ersatz dafür in den Wald gehen, um zu beten. Vielleicht für fünf Wochen, aber nicht als Dauerzustand. Wie wichtig, dass darum auch diejenigen, die aktiv am Gemeindeleben auch in Zukunft nicht teilnehmen können, auf verschiedene Weise einbezogen werden z.B. durch die Hauskommunion. Vielleicht können wir sie neu entdecken. Es gibt nämlich viele, die auch nach den Ausgangsbeschränkungen zu Hause bleiben müssen, weil sie alt oder krank sind.
Eigentlich hätten jetzt die Osterferien angefangen. Sie haben angefangen, aber das merkt zurzeit keiner. Denn in diesem Jahr ist alles anders. Jeder Tag fühlt sich seit drei Wochen wie ein Sonntag an. Aber das stimmt die wenigstens mittlerweile froh. Kummer und Trauer sind bei denen zu spüren, denen die massiven Einschränkungen trotz großem Verständnis langsam schwerfallen. Klage bei denen, die jetzt Angst um ihre Existenz haben.
Ich finde es darum sehr gut, wie viele positive Ideen weiterhin neu entstehen, um miteinander durch diese Zeit zu kommen.
Die Einstellung zum Leben und den Prioritäten, die man bisher gesetzt hat, scheinen sich ein wenig zu verändern. Ich wünsche mir so sehr, dass wir nach dieser Zeit nicht einfach so weitermachen, so wie man einen Lichtschalter aus und wieder an macht. Auch in unserer Kirche nicht. Ich würde mir so sehr wünschen, dass wir Ideen entwickeln, wie wir z.B. unsere Gottesdienstgemeinschaft auch als Gemeinschaft erleben können, da sie doch zurzeit von vielen auch vermisst wird. Denn die Distanz von 2 m, die uns jetzt auferlegt wurde, praktizieren wir z.B. in der St. Pankratius-Kirche schon sehr lange.
Es bleibt für viele eine unbehagliche Situation und so mancher hat auch Angst. Persönlich bin ich darum momentan sehr angetan von unserer Regierung, die keine Panik verbreitet, sachlich redet auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen und keine Kriegssprache verwendet. Ich weiß nicht, wie Sie das empfinden. Aber ich bin zurzeit sehr froh darüber.
Was werden wird, ist noch nicht ausgemacht. Man spricht in der Politik von einem langsamen Aufbau einer kontrollierten Gruppenimmunität und von der Chance, schwerere Krankheitsverläufe frühzeitiger zu erkennen, wozu es in Heidelberg jetzt sogenannte Corona-Taxen gibt, mit denen medizinisches Fachpersonal Infizierte zu Hause besuchen, um den Krankheitsverlauf zu begleiten.
Traurig macht mich, dass es zu großen Verstimmungen zwischen den EU-Ländern kommt. In Italien ist man auf Deutschland nicht gut zu sprechen. Rechte Gruppierungen in Italien nutzen die Gelegenheit, Stimmung bei der Bevölkerung zu machen. Und sie haben zurzeit Erfolg. Sie bemühen das alte Bild vom „hässlichen Deutschen“, der die wirtschaftliche Herrschaft über Europa anstrebt, weil unsere Regierung der Meinung ist, dass sogenannte Corona-Bonds – Euro-Bonds – nicht der richtige Weg ist, Italien zu helfen.
Das aber geholfen wird, steht außer Frage und es geschieht schon jetzt sehr viel. Ich hoffe, die EU findet gemeinsam einen guten Weg.
Beten wir darum!Sehr besorgt bin ich über die Entwicklung in Ungarn. Es ist das Spielen mit der Macht. Es geht um Macht. Das passt zur Karwoche.
Im Evangelium hören wir, wie Jesus auf einem Esel in die Stadt einreitet. Der Evangelist Matthäus zitiert dazu aus dem Alten Testament. Damit macht der deutlich, dass Jesus die Erfüllung der alttestamentlichen Erwartung ist, wenn er schreibt:
„Das ist geschehen, damit sich erfüllte, was durch den Propheten gesagt worden ist: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist friedfertig, und er reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers.“ (Mt 21.4-5)
In dieser Woche verfolgen wir den Weg eines Königs, der nicht seine Macht benutzt, um sein Leben, seine Interessen, seine Partei zu retten. Sondern dieser König nimmt uns mit auf einen Weg, der nur eines zum Ziel hat, dass wir die Menschlichkeit neu entdecken und damit auch unsere Grenzen. Uns ist viel möglich, aber es leben auf diesem Globus zu viele nur nach den eigenen Interessen. Wir zerstören die Natur, wir rauben immer mehr Tieren ihren Lebensraum und es ist unglaublich, wie Menschen missbraucht werden zur Befriedigung persönlicher Wünsche. Viele Menschen sitzen hoch zu Roß.
„Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist friedfertig, und er reitet auf einer Eselin“
Wenn wir gesegnete Palmenzweige aus der Kirche in unsere Häuser und Wohnungen holen, dann sind sie ein Zeichen dafür, dass wir Jesus die Tür geöffnet haben. Er soll eintreten als König. Das heißt aber auch, dass sein Gesetz das Leben bestimmen soll. Und da muss ich mich fragen, ob ich das will.
Ein Palmzweig als Talisman nützt nichts. Es schützt mich nur vor dem Bösen, wenn ich mich auf Jesus einlasse und ihm vertraue.
Jesus fasst das Gesetz folgendermaßen zusammen:
„Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr.
Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft.
Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.“ (Mk 12, 29-31)
Ich wünsche Ihnen und Euch einen gesegneten Palmsonntag!
Ihr Pastor Ferdinand HempelmannJetzt Zweige in den Händen
Jetzt Zweige in den Händen
und dann den Essigschwamm
Jetzt Hymnen auf den Lippen
und dann Hohn und Spott
Jetzt begeisterte Zustimmung im Herzen
und dann Hass und Ablehnung
Gott
Wie wankelmütig sind wir doch!
Wie eine Fahne im Wind!
Gib uns
festen Stand
Mut und Kraft
Treue und Opferbereitschaft
Nimm uns die Angst vor den anderen
Lass uns mit Jesus Christus gehen
und dem göttlichen Leben verpflichtet
sein bis zum Tod
Lass uns die Zweige nicht verbergen
wenn die Verführer kommen
Lass unsere Lippen nicht verstummen
wenn die Verfolger kommen
Lass uns die Zustimmung nicht verleugnen
wenn die Mörder kommen
Anton Rotzetter