Liebe Gemeindemitglieder,
hl. Messe feiern bedeutet in den Dialog treten mit Gott. Allein kann ich natürlich auch überall mit Gott reden. Als Gemeinde haben wir den Ort Kirche. Gottesdienst feiern ist nicht ein Angebot des Pastors, sondern die Aufgabe der Gemeinde.
„Empfangt, was ihr seid: Leib Christi; damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi“, hat der hl. Augustinus gesagt. Jede Familie kennt das. Heute noch erzählte mir eine Mutter, dass es zurzeit möglich ist, abends um 18 Uhr in aller Ruhe als Familie zusammen zu essen. Sie empfindet das für das Familienleben als sehr wohltuend. „Empfangt beim gemeinsamen Essen, was ihr seid: Familie; damit ihr werdet, was ihr seid: Familie.“ So könnte man den Satz des Augustinus abwandeln, um zu verstehen, was er in Bezug auf die gemeinsame Mahlfeier der Gemeinde gemeint hat.
Kommunion (zu Deutsch: Gemeinschaft) kann man nur gemeinsam feiern. Ich höre immer wieder den Satz: „Ich war in
Ihrer
Messe“, oder „Ich komme bald mal wieder in
Ihre
Messe“. Wer das sagt, hat
nicht
verstanden, was die hl. Messe ist.
Wir kommen zusammen im Namen des dreifaltigen Gottes: Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Wir sprechen uns zu, dass Gott mit uns ist.
Wir bekennen unsere Begrenztheit und tun dies gemeinsam ohne Unterschied und Ansehen der Person.
Wir preisen unseren Herrn, den Kyrios und richten damit auch manchen Flehruf an ihn, weil das Leben gerade sehr bescheiden verläuft.
Wir stimme ein in das Gloria, weil wir genau wissen: Gott geht alle Wege mit. In Jesus hat er gezeigt, dass er ohne Unterschiede den Menschen nahe ist. Ihm die Ehre geben heißt, alles zu ehren, was lebt und einen neuen Blick für das Leben zu gewinnen. Ihm die Ehre geben bedeutet, an das „Unerhörte“ glauben, wir sind unter seiner Hand.
Nach diesen liturgischen Aktionen
lädt der Priester ein, still zu werden und an Gott ein erstes gesammeltes Gebet zu richten: das sogenannte Tagesgebet,
oder auf Latein: Oration.
Diese Oration besteht aus drei Teilen.
Das erste Stück
ist die Einleitung: „Lasset uns beten!“. Das ist eine Aufforderung, ja sogar eine Überredung sich jetzt ganz auf Gott hin zu sammeln.
Der zweite Teil
ist die Stille. Sie dient dem persönlichen, umformulierten Gebet der Gläubigen. Es sind ca. 20 Sekunden. Viel kann man in dieser kurzen Zeit nicht sagen. Dennoch ist Zeit für ein stilles Stoßgebet. Um der Einladung zum stillen Gebet Nachdruck zu verleihen, sage ich seit längerer Zeit: „Lasset uns beten – zuerst jeder für sich“. Irgendwann habe ich das mal weggelassen und nur gesprochen „Lasset uns beten“ und prompt wurde ich von jemanden angesprochen, ich möge das doch weiterhin sagen. Die Einladung auch zum stillen Gebet führt dazu, es ganz bewusst zu tun und die Stille, die dann entsteht als gefüllte Stille zu empfinden. Denn jeder spricht nun innerlich. Das spürt man.
Davon war ich sehr angetan und es hat mir noch mal gezeigt, wie schön es ist, überhaupt gemeinsam zu beten.
In dem Ort Taizé, wo Mönche Woche für Woche mit immer anderen Jugendlichen aus aller Welt leben, beten und in der hl. Schrift lesen, wird regelmäßig bei den drei Gebetszeiten am Tag gemeinsam geschwiegen. Es ist ein unverzichtbarer Moment, der noch mal ganz anders ist, als irgendwo allein zu schweigen.
Ich muss dabei an ein Taizé-Lied denken, das zum Ausdruck bringt, um was es beim stillen Gebet geht:
Gott, lass meine Gedanken sich sammeln zu dir.
Bei dir ist das Licht, du vergisst mich nicht.
Bei dir ist die Hilfe, bei dir ist die Geduld.
Ich verstehe deine Wege nicht,
Aber du weißt den Weg für mich.
Nach der Stille breitet der Priester die Arme aus uns spricht das Gebet bzw. die Oration. Das ist dann der dritte Teil.
Oratio heißt feierliche Rede im Gegensatz zu Sermo, womit die ausgedehnte Rede z.B. eines Anwalts oder Politikers gemeint ist. Sie steht auch im Gegensatz zur Predigt (Homilia).
Oration ist der Trinkspruch, die Regierungserklärung, das programmatische Leitwort. Vielleicht sogar zu vergleichen mit der klaren und kurzen Ansprache der Queen am 5.4.2020.
Für jeden Tag und jedes Fest im Jahr gibt es ein Tagesgebet, das einen klaren Aufbau hat: 1.
Anrede, 2.
Rückblick auf Gottes Handeln und das Heil, das geschehen ist und 3.
Ausblick auf das, was wir erwarten und erhoffen dürfen.
Heute, Mittwoch der 2. Osterwoche, wird in der hl. Messe gebetet:
TAGESGEBET Allmächtiger Gott,
in den österlichen Geheimnissen,
die wir jedes Jahr feiern,
hast du dem Menschen
seine ursprüngliche Würde wiedergeschenkt
und uns die sichere Hoffnung gegeben,
dass wir auferstehen werden.
Gib, dass die Erlösung, die wir gläubig feiern,
in täglichen Werken der Liebe
an uns sichtbar wird.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
Das Tagesgebet oder Oration ist eine Rede in Form eines Gebetes. Sie geschieht feierlich und wird darum auch manchmal gesungen.
Äußerlich gesehen redet der Priester als Vorsteher der heiligen Versammlung. Doch der Priester spricht nur in Vertretung eines anderen. Christus ist der eigentliche Sprecher.
Denn Jesus Christus hat eingeladen, in der Kirche – im Haus des Vaters – zusammenzukommen. Ihn haben wir feierlich gegrüßt. Nun redet er für das versammelte Volk: Allmächtiger Gott und Vater, sieh hier bin ich und die, die du mir gegeben hast, dein Volk.
Dass Jesus Christus betet sieht man an den ausgebreiteten Armen des Priesters.
Sie erinnern an die ausgestreckten Arme des Gekreuzigten, mit denen er alle an sich ziehen will. Mit den ausgestreckten Armen zeigt Jesus dem Vater die Wunden, erlitten für die Menschen. Die ausgestreckten Arme sind auch ein Zeichen der Wehrlosigkeit und des Sich-Überlieferns. Die Hände eines Sinkenden oder Fallenden werden emporgestreckt, um gerettet zu werden und nicht zuletzt sind sie ein Zeichen für das Vertrauen: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk 23, 46)
Mit dem Gebet spricht Jesus aber auch die Versammlung an. Das Gebet will ermutigen, an der Hoffnung festzuhalten, die uns geschenkt ist. Wir haben Zugang zu Gott durch seinen Sohn Jesus. Wir dürfen ihm nahe sein und er entzieht sich uns nicht. So wurden schon in der Frühzeit des Christentums die Christen im Hebräerbrief
(10,23-25) ermutigt:
Lasst uns an dem unwandelbaren Bekenntnis der Hoffnung festhalten, denn er, der die Verheißung gegeben hat, ist treu!
Lasst uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen!
Lasst uns nicht unseren Zusammenkünften fernbleiben, wie es einigen zur Gewohnheit geworden ist, sondern ermuntert einander, und das umso mehr, als ihr seht, dass der Tag naht!
Jetzt dürfen wir uns nicht versammeln. Aber wir werden uns wieder versammeln und uns wiedersehen im Haus des Herrn. Wir werden uns sammeln lassen von Jesus Christus, zu dem wir gehören. Bis dahin beten wir zu Hause und fangen vielleicht ganz bewusst das Gebet so an: „Lasset uns beten!“ und verbinden uns gedanklich mit allen, mit denen wir in unseren Gemeinden zusammenleben. Sie dürfen auf jeden Fall daran denken, dass ich jeden Tag bei Ihnen und Euch bin, wenn ich z.B. morgens in der Kirche spreche: „Lasset uns beten!“.
Ich wünsche Ihnen und Euch einen frohen Tag!
Ihr Pastor Ferdinand Hempelmann