Liebe Gemeinde,
bald soll es wieder möglich sein, die hl. Messe zu feiern. Allerdings weiß ich selbst noch nicht, wie das gehen soll. Gestern habe ich mal die Plätze mit den Augen und noch nicht mit dem Zollstock gezählt. In beiden Kirchen könnten ca. 60 Personen zur hl. Messe kommen.
Wir werden das ausrechnen und bekannt geben.
Wer wird dann wohl kommen, so frage ich mich. Denn es kamen in der Regel bisher zum größten Teil diejenigen, die man jetzt zur sogenannten Risikogruppe zählt. Es wird sich zeigen…
„Weißt du noch…?“
Mit dieser Frage schauen vielleicht jetzt einige auf die Zeit, in der wir noch unbeschwert in unseren Kirchen zusammenkommen konnten.
Diese Frage wird auch gestellt, wenn z.B. Freunde nach längerer Zeit beim Bier oder nachmittags beim Geburtstagskaffee zusammensitzen und über frühere Zeiten plaudern. Jede Begegnung von Freunden ist oft von einer gewissen Freude bestimmt. Das Schlüsselwort dieser Freude ist dann: „Weißt du noch…?“ Der Austausch darüber schafft Verbindung und Gemeinschaft, denn die gemeinsamen Erinnerungen schaffen oder erneuern die Verbindung.
Menschen können auch ihr Gedächtnis verlieren. Mit ihnen dann in Verbindung sein, ist schwer, weil man sich über nichts austauschen kann, was einen miteinander verbunden hat.
Erinnerungen können auch belasten und niederdrücken. Sie zu aktivieren bedeutet, die Vergangenheit zu bewältigen.
„Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ trägt Jesus seinen Jüngern beim letzten Abendmahl auf. Als Christen feiern wird die hl. Messe nicht zum Gedächtnis an das letzte Abendmahl Jesu, sondern zum Gedenken an alles, was Gott in Jesus getan hat. Gott hat durch ihn zu Menschen gesprochen, Kranke geheilt, Mutlose aufgerichtet, Sünder zur Umkehr ermutigt, Vergebung geschenkt und diese Frohe Botschaft allen Menschen zugesprochen. Wie Gott ist, wie sehr er liebt, verdichtet sich im Tod Jesu. Dass die Liebe stärker ist, leuchtet in der Auferstehung seines Sohnes auf.
Wenn wir hl. Messe feiern, vergegenwärtigen wir Gottes Liebe, damit auch heute Erlösung geschieht. Tritt nicht das Gefühl von Erlösung dann besonders ein, wenn uns bewusst wird, wie sehr wir geliebt sind?
Der berühmte Rabbi Baal-Shem Tov sagte einmal: „Vergesslichkeit führt in die Verbannung, aber Gedenken ist das Geheimnis der Erlösung.“
„Gedächtnislosigkeit äußert sich in Flüchtigkeit, Alltagswahn, Vergessenheit, Rausch und im Unwichtignehmen der Vergangenheit“, schreibt Bernard Rootmensen. Das alles führt nicht zum Leben. Gerade in unserer geschichts- und gedächtnislosen Zeit ist die Erinnerung an das, was uns wirklich verbindet, was uns hält und trägt, sehr wichtig. Erinnerung ist der Lebensimpuls schlechthin.
Die israelitische Religion und die christliche Religion sind die Religionen der Erinnerung.
In der Bibel bedeutet Gedenken/Erinnern immer ein Beziehungsgeschehen.
Wir meinen manchmal, wir müssten uns bei Gott in Erinnerung rufen. Das ist nicht notwendig.
Im Buch Jesaja (Kapitel 49) steht:
14 Doch Zion sagt: Der HERR hat mich verlassen, / Gott hat mich vergessen.
15 Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, / ohne Erbarmen sein gegenüber ihrem leiblichen Sohn?
Und selbst wenn sie ihn vergisst: / Ich vergesse dich nicht.
16 Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände, …
Jesus ist das sichtbarste „Zeichen“, dass Gott uns nicht vergisst.
„Tut dies zu meinem Gedächtnis“ bewirkt und erneuert die Gegenwart Jesu. Es ist darum sehr wichtig, das Gedächtnis der Erlösung
zu feiern.
Darum ist es - glaube ich - schon wichtig, dass wir bald wieder die Möglichkeit zur Gedächtnisfeier haben, auch wenn ich jetzt nicht weiß, wie man das praktisch nach den Hygienebestimmungen umsetzen kann.
„Weißt Du noch…?“
Ich könnte mir gut vorstellen, dass diese Frage gerade jetzt eine ganz wichtige ist. Sie will Hoffnung schenken, Verbindung schaffen und Mut machen, weil Gott bei uns ist „am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag“.
„Weißt Du noch…?“
Ich wünsche Ihnen und Euch einen frohen Tag!
Ihr Pastor Ferdinand Hempelmann Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.
Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.
Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.
Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.
Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.